Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
In Angelegenheiten der Europäischen Union wirkt der Bundestag an der Willensbildung des Bundes mit.
Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für Angelegenheiten der Europäischen Union. Der Bundestag kann den Ausschuß ermächtigen, für ihn Stellungnahmen abzugeben.
(1) Vorhaben der Europäischen Union (Vorhaben) im Sinne dieses Gesetzes sind insbesondere:
Vorschläge und Initiativen für Beschlüsse zur Aufnahme von Verhandlungen zu Änderungen der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union,
Vorschläge und Initiativen für Beschlüsse zur Aufnahme von Verhandlungen zur Vorbereitung von Beitritten zur Europäischen Union,
Vorschläge für Gesetzgebungsakte der Europäischen Union,
Verhandlungsmandate für die Europäische Kommission zu Verhandlungen über völkerrechtliche Verträge der Europäischen Union,
Beratungsgegenstände, Initiativen sowie Verhandlungsmandate und Verhandlungsrichtlinien für die Europäische Kommission im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik und der Welthandelsrunden,
Mitteilungen und Stellungnahmen der Europäischen Kommission,
Berichte der Organe der Europäischen Union,
Aktionspläne der Organe der Europäischen Union,
Grünbücher der Europäischen Kommission,
Weißbücher der Europäischen Kommission,
Politische Programme der Organe der Europäischen Union,
Empfehlungen der Europäischen Kommission,
Interinstitutionelle Vereinbarungen der Organe der Europäischen Union,
Haushalts- und Finanzplanung der Europäischen Union,
Entwürfe zu völkerrechtlichen Verträgen und sonstigen Vereinbarungen, wenn sie in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen,
Beratungsgegenstände, Vorschläge und Initiativen, die im Rahmen des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalvertrag) und sonstiger, die Wirtschafts- und Währungsunion betreffenden völkerrechtlichen Verträge und Vereinbarungen behandelt werden.
Dies gilt nicht für Maßnahmen in den Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
(2) Vorhaben im Sinne dieses Gesetzes sind auch Vorschläge und Initiativen der Europäischen Union, bei denen eine Mitwirkung des Bundestages nach dem Integrationsverantwortungsgesetz vom 22. September 2009 (BGBl. I S. 3022) erforderlich ist.
(3) Unterrichtungspflichten nach diesem Gesetz gelten insbesondere auch für die Eurogruppe, Eurogipfel und Treffen der Mitgliedstaaten im Rahmen von Absatz 1 Nummer 15 und 16 sowie für alle diese jeweils vorbereitenden Arbeitsgruppen und Ausschüsse.
(1) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag nach Maßgabe dieses Gesetzes umfassend, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, fortlaufend und in der Regel schriftlich über alle Vorhaben. Die Unterrichtung erstreckt sich insbesondere auf die Willensbildung der Bundesregierung, den Verlauf der Beratungen innerhalb der Organe der Europäischen Union, die Stellungnahmen des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die getroffenen Entscheidungen. Ergänzend erfolgt die Unterrichtung mündlich. Die Bundesregierung stellt sicher, dass die Unterrichtung über Vorhaben die Befassung des Bundestages ermöglicht.
(2) Die Unterrichtung nach Absatz 1 umfasst auch die Abschätzung der Europäischen Kommission und die der Bundesregierung vorliegenden Abschätzungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu den rechtlichen, wirtschaftlichen, finanziellen, sozialen und ökologischen Folgen des Vorhabens.
(3) Zur Frühwarnung unterrichtet die Bundesregierung den Bundestag in der Regel schriftlich über aktuelle politische Entwicklungen der Europäischen Union und geplante Vorhaben.
(4) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag ferner zum frühestmöglichen Zeitpunkt
über völkerrechtliche Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die eine engere Kooperation in Politikbereichen normieren, die auch in die Zuständigkeit der Europäischen Union fallen,
über den Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens der Europäischen Union; diese Unterrichtung enthält auch eine Bewertung, ob die Bundesregierung den Gesetzgebungsakt mit den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit für vereinbar hält; bei Richtlinien informiert die Bundesregierung über die zu berücksichtigenden Fristen für die innerstaatliche Umsetzung und den Umsetzungsbedarf,
über die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren nach den Artikeln 258, 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union durch Übermittlung von Mahnschreiben und mit Gründen versehenen Stellungnahmen, soweit diese Verfahren die Nichtumsetzung von Richtlinien durch den Bund betreffen sowie
über Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, bei denen die Bundesrepublik Deutschland Verfahrensbeteiligte ist. Zu Verfahren, an denen sich die Bundesregierung beteiligt, übermittelt sie die entsprechenden Dokumente.
(5) Der Bundestag kann auf die Unterrichtung zu einzelnen oder Gruppen von Vorhaben verzichten, es sei denn, dass eine Fraktion oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages widersprechen.
(1) Die Unterrichtung des Bundestages nach § 4 erfolgt insbesondere durch Übersendung von
Dokumenten
a) des Europäischen Rates, des Rates, der informellen Ministertreffen, des Ausschusses der Ständigen Vertreter und sonstiger Ausschüsse und Arbeitsgruppen des Rates,
b) der Europäischen Kommission, soweit sie an den Rat gerichtet oder der Bundesregierung auf sonstige Weise offiziell zugänglich gemacht worden sind, einschließlich zu Rechtsakten der Europäischen Kommission im Sinne des Artikels 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
Berichten und Mitteilungen von Organen der Europäischen Union für und über Sitzungen
a) des Europäischen Rates, des Rates und der informellen Ministertreffen,
b) des Ausschusses der Ständigen Vertreter und sonstiger Ausschüsse und Arbeitsgruppen des Rates,
Berichten der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union beziehungsweise der Bundesregierung über
a) Sitzungen des Rates, der informellen Ministertreffen, des Ausschusses der Ständigen Vertreter und der Arbeitsgruppen des Rates, einschließlich der Arbeitsgruppen des Rates im Hauptstadtformat,
b) Sitzungen des Europäischen Parlaments und seiner Ausschüsse,
c) die Einberufung, Verhandlungen und Ergebnisse von Trilogen,
d) Beschlüsse der Europäischen Kommission und
e) geplante Vorhaben, einschließlich der Frühwarnberichte.
(2) Die Bundesregierung übersendet dem Bundestag zudem Dokumente und Informationen über Initiativen, Stellungnahmen und Erläuterungen der Bundesregierung für Organe der Europäischen Union, einschließlich der Sammelweisung für den deutschen Vertreter im Ausschuss der Ständigen Vertreter sowie Initiativen der Regierungen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegenüber Rat und Europäischer Kommission, die ihr offiziell zugänglich gemacht werden. Informationen über Initiativen des Bundesrates und der Länder sind ebenfalls zu übersenden.
(3) Auf Anforderung stellt die Bundesregierung dem Bundestag ihr vorliegende vorbereitende Papiere der Europäischen Kommission und des Rates zur Verfügung. Dies gilt auch für inoffizielle Dokumente (non papers).
(4) Über die Sitzungen des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees unterrichtet die Bundesregierung die zuständigen Ausschüsse des Bundestages mündlich.
(5) Vor Tagungen des Europäischen Rates und des Rates unterrichtet die Bundesregierung den Bundestag schriftlich und mündlich zu jedem Beratungsgegenstand. Diese Unterrichtung umfasst die Grundzüge des Sach- und Verhandlungsstandes sowie die Verhandlungslinie der Bundesregierung. Nach Ratstagungen unterrichtet die Bundesregierung schriftlich und mündlich über die Ergebnisse.
(1) Die Bundesregierung übersendet dem Bundestag alle Vorhaben mit einem Zuleitungsschreiben (förmliche Zuleitung). Das Zuleitungsschreiben enthält auf der Grundlage des zuzuleitenden Dokuments die folgenden Hinweise:
den wesentlichen Inhalt und die Zielsetzung des Vorhabens,
das Datum des Erscheinens des betreffenden Dokuments in deutscher Sprache,
die Rechtsgrundlage,
das anzuwendende Verfahren und
die Benennung des federführenden Bundesministeriums.
(2) Die Bundesregierung übersendet dem Bundestag alle bei ihr eingehenden Ratsdokumente (allgemeine Zuleitung).
(1) Die Bundesregierung übermittelt binnen zwei Wochen nach förmlicher Zuleitung eines Vorhabens einen Bericht gemäß der Anlage (Berichtsbogen). Dieser enthält insbesondere die Bewertung des Vorhabens hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.
(2) Zu Vorschlägen für Gesetzgebungsakte der Europäischen Union übermittelt die Bundesregierung zudem binnen zwei Wochen nach Überweisung an die Ausschüsse des Bundestages, spätestens jedoch zu Beginn der Beratungen in den Ratsgremien, eine Umfassende Bewertung. Neben Angaben zur Zuständigkeit der Europäischen Union zum Erlass des vorgeschlagenen Gesetzgebungsaktes und zu dessen Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit enthält diese Bewertung im Rahmen einer umfassenden Abschätzung der Folgen für die Bundesrepublik Deutschland Aussagen insbesondere in rechtlicher, wirtschaftlicher, finanzieller, sozialer und ökologischer Hinsicht zu Regelungsinhalt, Alternativen, Kosten, Verwaltungsaufwand und Umsetzungsbedarf.
(3) Bei eilbedürftigen Vorhaben verkürzen sich die Fristen der Absätze 1 und 2 so, dass eine rechtzeitige Unterrichtung und die Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 9 Absatz 1 Satz 1 für den Bundestag gewährleistet sind. Ist eine besonders umfangreiche Bewertung erforderlich, kann die Frist verlängert werden.
(4) Zu Vorhaben im Sinne von § 3 Absatz 1 Nummer 6 bis 14 erfolgt die Erstellung der Umfassenden Bewertung nach Absatz 2 nur auf Anforderung.
(1) Im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unterrichtet die Bundesregierung umfassend, fortlaufend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Die Unterrichtung erfolgt in der Regel schriftlich. Sie umfasst die Zuleitung einer Übersicht der absehbar zur Beratung anstehenden Rechtsakte, deren Bewertung und eine Einschätzung über den weiteren Beratungsverlauf. Über Tagungen des Europäischen Rates und des Rates, die Beschlüsse und Schlussfolgerungen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zum Gegenstand haben, gilt § 5 Absatz 5 entsprechend.
(2) Ergänzend leitet die Bundesregierung dem Bundestag auf Anforderung Dokumente von grundsätzlicher Bedeutung nach Maßgabe des § 6 Absatz 1 zu. § 7 Absatz 1 gilt entsprechend.
(3) Zudem unterrichtet die Bundesregierung fortlaufend und zeitnah mündlich über alle relevanten Entwicklungen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
(1) Vor ihrer Mitwirkung an Vorhaben gibt die Bundesregierung dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme. Hierzu teilt die Bundesregierung dem Bundestag mit, bis zu welchem Zeitpunkt eine Stellungnahme wegen der sich aus dem Verfahrensablauf innerhalb der Europäischen Union ergebenden zeitlichen Vorgaben angemessen erscheint.
(2) Gibt der Bundestag eine Stellungnahme ab, legt die Bundesregierung diese ihren Verhandlungen zugrunde. Die fortlaufende Unterrichtung der Bundesregierung nach § 4 Absatz 1 enthält auch Angaben zur jeweiligen Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundestages bei den Verhandlungen.
(3) Der Bundestag kann seine Stellungnahme im Verlauf der Beratung des Vorhabens in den Gremien der Europäischen Union anpassen und ergänzen. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(4) Macht der Bundestag von der Gelegenheit zur Stellungnahme gemäß Artikel 23 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes Gebrauch, legt die Bundesregierung im Rat einen Parlamentsvorbehalt ein, wenn der Beschluss des Bundestages in einem seiner wesentlichen Belange nicht durchsetzbar ist. Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag in einem gesonderten Bericht unverzüglich darüber. Dieser Bericht muss der Form und dem Inhalt nach angemessen sein, um eine Beratung in den Gremien des Bundestages zu ermöglichen. Vor der abschließenden Entscheidung im Rat bemüht sich die Bundesregierung, Einvernehmen mit dem Bundestag herzustellen. Dies gilt auch dann, wenn der Bundestag bei Vorhaben der Europäischen Union zu Fragen der kommunalen Daseinsvorsorge Stellung nimmt. Das Recht der Bundesregierung, in Kenntnis der Stellungnahme des Bundestages aus wichtigen außen- oder integrationspolitischen Gründen abweichende Entscheidungen zu treffen, bleibt unberührt.
(5) Nach der Beschlussfassung im Rat unterrichtet die Bundesregierung den Bundestag unverzüglich schriftlich, insbesondere über die Durchsetzung seiner Stellungnahme. Sollten nicht alle Belange der Stellungnahme berücksichtigt worden sein, benennt die Bundesregierung auch die Gründe hierfür. Auf Verlangen des Bundestages erläutert die Bundesregierung diese Gründe im Rahmen einer Plenardebatte.
(1) Mit der Unterrichtung über Vorschläge und Initiativen für Beschlüsse zur Aufnahme von Verhandlungen zur Vorbereitung eines Beitritts zur Europäischen Union weist die Bundesregierung den Bundestag auf sein Recht zur Stellungnahme nach § 9 hin.
(2) Vor der abschließenden Entscheidung im Rat soll die Bundesregierung Einvernehmen mit dem Bundestag herstellen. Das Recht der Bundesregierung, in Kenntnis der Stellungnahme des Bundestages aus wichtigen außen- oder integrationspolitischen Gründen abweichende Entscheidungen zu treffen, bleibt unberührt.
(3) Für Vorschläge und Initiativen zur Aufnahme von Verhandlungen zu Änderungen der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(1) Die Bundesregierung eröffnet dem Bundestag im Rahmen der Datenschutzvorschriften Zugang zu Dokumentendatenbanken der Europäischen Union, die ihr zugänglich sind.
(2) Die Dokumente der Europäischen Union werden grundsätzlich offen weitergegeben. Die Sicherheitseinstufung der Organe der Europäischen Union über eine besondere Vertraulichkeit wird vom Bundestag beachtet. Eine für diese Dokumente oder für andere im Rahmen dieses Gesetzes an den Bundestag zu übermittelnden Informationen, Berichte und Mitteilungen eventuell erforderliche nationale Einstufung als vertraulich wird vor Versendung von der Bundesregierung vorgenommen und vom Bundestag beachtet. Die Gründe für die Einstufung sind auf Anforderung zu erläutern.
(3) Dem besonderen Schutzbedürfnis laufender vertraulicher Verhandlungen trägt der Bundestag durch eine vertrauliche Behandlung Rechnung.
Weitere Einzelheiten werden in der Vereinbarung zwischen dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung geregelt.
(Fundstelle: BGBl. I 2009, 3029)
Thema:
Sachgebiet:
Ratsdok.-Nummer:
KOM-Nummer:
Nummer des interinstitutionellen Dossiers:
Nummer der Bundesratsdrucksache:
Nachweis der Zulässigkeit für europäische Regelungen: (Prüfung der Rechtsgrundlage)
Subsidiaritätsprüfung:
Verhältnismäßigkeitsprüfung:
Zielsetzung:
Inhaltliche Schwerpunkte:
Politische Bedeutung: Was ist das besondere deutsche Interesse?
Bisherige Position des Deutschen Bundestages:
Position des Bundesrates:
Position des Europäischen Parlaments:
Meinungsstand im Rat:
Verfahrensstand (Stand der Befassung):
Finanzielle Auswirkungen:
Zeitplan für die Behandlung im
a) Bundesrat:
b) Europäischen Parlament:
c) Rat:
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