Auf Grund des § 45 der Handwerksordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Dezember 1965 (BGBl. 1966 I S. 1), der zuletzt durch Artikel 24 Nr. 1 des Gesetzes vom 18. März 1975 (BGBl. I S. 705) geändert worden ist, verordnet das Bundesministerium für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft:
(1) Dem Orthopädiemechaniker- und Bandagisten-Handwerk sind folgende Tätigkeiten zuzurechnen:
Auswahl, Anmessung, Entwurf, Konstruktion, Anfertigung, Anpassung und Instandhaltung von Heil- und Hilfsmitteln der technischen Orthopädie, insbesondere von Prothesen, Orthesen, Lagerungs- und Sitzschalen, Leibbinden, Stützmiedern, Bandagen, Bruchbändern und Fußeinlagen,
Auswahl, Anmessung, Entwurf, Konstruktion, Anfertigung, Anpassung und Instandhaltung von Rollstühlen und Rehabilitationsmitteln,
Auswahl, Anmessung und Anpassung medizinischer Kompressionsstrümpfe, -segmente und -bandagen sowie entsprechender Kompressionsmittel für den menschlichen Körper,
Auswahl, Anmessung, Anfertigung und Anpassung von Artikeln zur Stoma- und Inkontinenzversorgung,
Auswahl, Anmessung, Anfertigung und Anpassung von Epithesen und kosmetischen Ausgleichen, insbesondere von Brustausgleichen mit Halterungen,
Auswahl, Anmessung, Anfertigung und Anpassung von Vorrichtungen, textilen Kleidungsstücken und sonstigen Gebrauchsgegenständen des täglichen Bedarfs zur behindertengerechten Nutzung.
(2) Dem Orthopädiemechaniker- und Bandagisten-Handwerk sind folgende Kenntnisse und Fertigkeiten zuzurechnen:
Kenntnisse der Anatomie, Physiologie und Pathologie des Menschen,
Kenntnisse der berufsbezogenen Mechanik, insbesondere der Biomechanik,
Kenntnisse über technisch-diagnostische Analysemethoden, insbesondere der Röntgentechnik,
Kenntnisse über medizinische Terminologie,
Kenntnisse über die orthopädischen Untersuchungsmethoden und Therapien, insbesondere hinsichtlich Muskelstatus und Gelenkbeweglichkeit,
Kenntnisse über die Behindertenpsychologie, insbesondere psychisches Trauma nach Amputationen und Querschnittslähmungen,
Kenntnisse der Funktionen von Heil-, Hilfs- und Rehabilitationsmitteln,
Kenntnisse der berufsbezogenen Werk- und Hilfsstoffe,
Kenntnisse über Konstruktionslehre, insbesondere der Festigkeitslehre,
Kenntnisse über Elektrotechnik und Elektronik,
Kenntnisse über Hydraulik und Pneumatik, insbesondere der Schwungphasensteuerung in Prothesengelenken,
Kenntnisse des Oberflächenschutzes,
Kenntnisse der berufsbezogenen Normen sowie der berufsbezogenen Vorschriften des Umwelt-, insbesondere des Immissionsschutzes und der Abfallbeseitigung,
Kenntnisse der berufsbezogenen Vorschriften des Gesundheit- und Sozialrechtes sowie der berufsbezogenen Vorschriften der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes,
Kenntnisse der Hygiene beim Umgang mit Patienten,
Bestimmen und Konstruieren von Prothesen, Orthesen und sonstigen Heil-, Hilfs- und Rehabilitationsmitteln,
Abnehmen von Maßen und Abdrücken,
Anfertigen von Arbeitsmodellen nach Maßen und Abdrücken am menschlichen Körper,
Anfertigen von technischen Zeichnungen, Maßskizzen, Schablonen und Schnittmustern,
spanendes und spanloses Be- und Verarbeiten von Stählen, NE-Metallen und Kunststoffen,
Gefüge- und Oberflächenbehandeln von Metallen,
Herstellen von Verbindungen,
Zuschneiden und Formen von Leder, Kunststoff und Textilien,
Bau und Einbau von Gelenken,
Messen, Anrichten, Schränken,
spanendes Be- und Verarbeiten sowie Fügen von Holz,
Durchführen von Korrosionsschutzmaßnahmen,
Anfertigen von Druckpelotten, Polsterungen, Garnierungen und Verschlüssen,
Anpassen des Heil-, Hilfs- und Rehabilitationsmittels,
Instandhalten der berufsbezogenen Werkzeuge, Geräte, Maschinen und Anlagen.
(1) In Teil I sind eine Meisterprüfungsarbeit anzufertigen und eine Arbeitsprobe auszuführen. Bei der Bestimmung der Meisterprüfungsarbeit sollen die Vorschläge des Prüflings nach Möglichkeit berücksichtigt werden.
(2) Die Anfertigung der Meisterprüfungsarbeit soll nicht länger als 18 Arbeitstage, die Ausführung der Arbeitsprobe nicht länger als elf Stunden dauern.
(3) Mindestvoraussetzung für das Bestehen des Teils I sind jeweils ausreichende Leistungen in der Meisterprüfungsarbeit und in der Arbeitsprobe.
(1) Als Meisterprüfungsarbeit ist aus jedem der nachstehend genannten Bereiche eine Arbeit anzufertigen:
aus dem Bereich der Prothesen:
a) ein Kunstbein bei Hüftexartikulation,
b) ein Oberschenkelkunstbein für Kurzstumpf,
c) ein Oberschenkelkunstbein mit Kontaktschaft,
d) ein Kunstbein bei Knieexartikulation,
e) ein Unterschenkelkunstbein ohne Oberschenkelhülse mit knieumfassender Einbettung bei Unterschenkelstumpf,
f) eine aktive Armprothese als Eigenkraftprothese oder
g) eine aktive Armprothese als Fremdkraftprothese;
aus dem Bereich der Orthesen:
a) eine Orthese für das ganze Bein bei Lähmungen,
b) eine Orthese bei Pseudarthrose im Bereich des Beines,
c) eine Rumpforthese zur Skoliosebehandlung,
d) eine Rumpforthese zur Behandlung des Morbus Scheuermann,
e) eine Orthese bei Pseudarthrose im Bereich des Oberarms,
f) eine Orthese bei Entfernung einer Totalendoprothese der Hüfte oder
g) eine Orthese zur Fixation der Halswirbelsäule.
(2) Der Prüfling hat vor Anfertigung der Meisterprüfungsarbeit dem Meisterprüfungsausschuß die Entwürfe, die auch eine Beschreibung der therapeutischen Zweckmäßigkeit seiner vorgeschlagenen Maßnahme und eine Krankheitsbeschreibung enthalten müssen, sowie die Vorkalkulation zur Genehmigung vorzulegen. Nach Genehmigung des Vorschlages hat der Prüfling die Werkzeichnung mit allen erforderlichen Maßen vorzulegen.
(3) Die fertigen Arbeiten sind dem Prüfungsausschuß am Patienten vorzuführen.
(1) Als Arbeitsprobe sind vier der nachstehend genannten Arbeiten, davon in jedem Fall eine nach Nummer 7 oder 8, auszuführen:
Herstellen eines Gipsmodelles mit Negativ und Positiv für Prothesen, Orthesen oder Sitz- und Lagerungsschalen,
Maßnehmen für Kompressionsstrümpfe, Bandagen oder Leibbinden mit Herstellen von Schnittmustern bei Bedarf,
Beseitigen von Paßform- und Aufbaufehlern an Prothesen oder Orthesen,
Justieren einer Beinprothese zur Optimierung des Gangbildes,
Versorgen eines Patienten mit einem Rollstuhl oder einem anderen Rehabilitationsmittel,
korrigierende oder bettende Versorgung eines insuffizienten oder fehlgebildeten Fußes,
Anfertigen und Anproben einer Bandage, insbesondere bei Adipositas oder schwerem Bauchwandbruch,
Anfertigen und Anproben einer Lumbosakralorthese oder -bandage.
(2) In der Arbeitsprobe sind die wichtigsten Fertigkeiten und Kenntnisse zu prüfen, die in der Meisterprüfungsarbeit nicht oder nur unzureichend nachgewiesen werden konnten.
(1) In Teil II sind Kenntnisse in den folgenden fünf Prüfungsfächern nachzuweisen:
Technische Mathematik:
a) Berechnen von Materialzuschnitten und orthopädischen Modellen,
b) Berechnen von Kräften an biomechanischen Systemen,
c) Berechnen von Drehmomenten an biomechanischen Gelenken,
d) Berechnen von Arbeitsprozessen;
Technisches Zeichnen:
a) Norm-Zeichen,
b) Körperprojektion, insbesondere Ergänzung fehlender Ansichten,
c) zeichnerische Darstellung eines einfachen orthopädie-technischen Bauteiles einschließlich der Teilschnitte;
Fachtechnologie:
a) Mechanik, insbesondere Biomechanik,
b) Anatomie, Physiologie und Pathologie,
c) Indikationen für orthopädie-technische Heil- und Hilfsmittel,
d) Einordnung der Heil- und Hilfsmittel in die ärztliche Therapie,
e) orthopädische Untersuchungsmethoden und Therapien,
f) medizinische Terminologie,
g) Behindertenpsychologie, insbesondere psychisches Trauma nach Amputationen und Querschnittslähmungen,
h) technisch-diagnostische Analysemethoden, insbesondere der Röntgentechnik,
i) Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit,
k) Instandhaltung der berufsbezogenen Werkzeuge, Geräte, Maschinen und Anlagen,
l) Möglichkeiten des Maßnehmens und Anfertigung von Formabdrücken unter Berücksichtigung von Krankheitsbildern,
m) Konstruktionsprinzipien von Heil-, Hilfs- und Rehabilitationsmitteln sowie deren Zuordnung zu Krankheitsbildern;
Werkstoffkunde:
Arten, Eigenschaften, Verwendung und Verarbeitung der in der Orthopädietechnik verwendeten Werk- und Hilfsstoffe;
Kalkulation:
Kostenermittlung unter Einbeziehung aller für die Preisbildung wesentlichen Faktoren.
(2) Die Prüfung ist schriftlich und mündlich durchzuführen.
(3) Die schriftliche Prüfung soll insgesamt nicht länger als zwölf Stunden, die mündliche je Prüfling nicht länger als eine halbe Stunde dauern. In der schriftlichen Prüfung soll an einem Tag nicht länger als sechs Stunden geprüft werden.
(4) Der Prüfling ist von der mündlichen Prüfung auf Antrag zu befreien, wenn er im Durchschnitt mindestens gute schriftliche Leistungen erbracht hat.
(5) Mindestvoraussetzung für das Bestehen des Teils II sind ausreichende Leistungen in dem Prüfungsfach nach Absatz 1 Nr. 3.
Die bei Inkrafttreten dieser Verordnung laufenden Prüfungsverfahren werden nach den bisherigen Vorschriften zu Ende geführt.
Die weiteren Anforderungen in der Meisterprüfung bestimmen sich nach der Verordnung über gemeinsame Anforderungen in der Meisterprüfung im Handwerk vom 12. Dezember 1972 (BGBl. I S. 2381) in der jeweils geltenden Fassung.
Diese Verordnung tritt am 1. August 1994 in Kraft.
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