Deutsche Bundesgesetze und -verordnungen

Achte Verordnung über Ausnahmen von den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (StVOAusnV 8)

Ausfertigungsdatum
1998-05-20
Fundstelle
BGBl I: 1998, 1130

Eingangsformel

Auf Grund des § 6 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 des Straßenverkehrsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 9231-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, Absatz 1 Nr. 3 zuletzt geändert durch das Gesetz vom 6. April 1980 (BGBl. I S. 413), Absatz 3 eingefügt durch § 70 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 721) und geändert gemäß Artikel 22 Nr. 3 der Verordnung vom 26. November 1986 (BGBl. I S. 2089), verordnet das Bundesministerium für Verkehr nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden:

§ 1

Abweichend von § 21a Abs. 2 der Straßenverkehrs-Ordnung vom 16. November 1970 (BGBl. I S. 1565, 1971 I S. 38), die zuletzt durch die Verordnung vom 7. August 1997 (BGBl. I S. 2028) geändert worden ist, brauchen die Führer von Krafträdern während der Fahrt keinen Schutzhelm zu tragen, wenn

  1. das Kraftrad den Anforderungen der Anlage zu dieser Verordnung entspricht und

  2. die vorhandenen Rückhaltesysteme angelegt sind.

§ 2

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Anlage

Fundstelle des Originaltextes: BGBl. I 1998, 1131 - 1133

* * 1. Allgemeine Anforderungen an zwei- oder dreirädrige Fahrzeuge als Voraussetzung für eine Befreiung von der Schutzhelmtragepflicht

    1.1 Es sind Tests zu folgenden Unfallkonfigurationen entsprechend der
        International Organization for Standardization - Norm ISO 13232-2,
        Abschnitt 4.3.1 der Ausgabe vom 15. Dezember 1996 durchzuführen:

        a)  Versuchskonfiguration I: ISO 143 - 9,8/0 - seitlicher Anstoß des
            Personenkraftwagens;


        b)  Versuchskonfiguration II: ISO 114 - 6,7/13,4 - schräger Frontalanstoß
            zwischen Zweirad und Personenkraftwagen;


        c)  Versuchskonfiguration IV: ISO 412 - 6,7/13,4 - schräger seitlicher
            Anstoß des Zweirades von hinten;


        d)  Versuchskonfiguration VI: ISO 225 - 0/13,4 - streifender Frontalanstoß
            von Personenkraftwagen und Zweirad;


        e)  Versuchskonfiguration VII: ISO 413 - 0/13,4 - seitlicher
            90 Grad-Anstoß des Zweirades gegen stehenden Personenkraftwagen.




        Darüber hinaus sind ein seitlicher Umkipptest und ein Dacheindrücktest
        durchzuführen. Die jeweilige Versuchsbeschreibung und Durchführung ist
        im Abschnitt 2 dargestellt.


    1.2 Bei allen vorstehend beschriebenen Versuchen wird der Grenzwert für
        die Kopfbelastung (HPC) des Fahrzeugführers entsprechend den
        Anforderungen beim Personenkraftwagen Frontal- und Seitenaufpralltest
        auf den HPC = 1.000 festgelegt (siehe Anhang II, Abschnitt 3.2.1.1 der
        Richtlinie 96/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.
        Dezember 1996 über den Schutz der Kraftfahrzeuginsassen beim
        Frontalaufprall und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG (Abl. EG
        Nr. L 18 S. 7) und Anhang II, Abschnitt 3.2.1.1 der Richtlinie
        96/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1996
        über den Schutz der Kraftfahrzeuginsassen beim Seitenaufprall und zur
        Änderung der Richtlinie 70/156/EWG (ABl. EG Nr. L 169 S. 1).


    1.3 Die Extremitäten des Fahrzeugführers können in der Anprall- oder
        Ausschleuderphase den Schutzbereich des Fahrzeuges verlassen. Damit
        die Verletzungen der Extremitäten beim Einklemmen unter Beteiligung
        der eigenen Fahrzeugstruktur so gering wie möglich sind, müssen die
        Kontaktkräfte (Flächenpressungen) möglichst gering gehalten werden.
        Können die Anforderungen von Kapitel 3 der Richtlinie 97/24/EG des
        Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte
        Bauteile und Merkmale von zwei- oder dreirädrigen Kraftfahrzeugen über
        vorstehende Außenkanten (ABl. EG Nr. L 226 S. 1) nicht erfüllt werden,
        sind Polsterungen in Kontaktbereichen der Extremitäten vorzusehen.


    1.4 Das Zweirad ist durch ein geeignetes, dem Stand der Technik
        entsprechendes Rückhaltesystem auszustatten, das Kapital 11 der
        Richtlinie 97/24/EG über die Verankerung der Sicherheitsgurte von
        dreirädrigen Kleinkrafträdern, Drei- und Vierradfahrzeugen mit Aufbau
        entspricht. Das Rückhaltesystem muß den Fahrzeugführer in allen Phasen
        eines möglichen Unfalles sicher zurückhalten und ihn somit von
        Kontakten mit Hindernissen oder Teilen der eigenen Fahrzeugstruktur
        schützen.


    1.5 Ist das für den Fahrzeugführer vorgesehene Rückhaltesystem manuell zu
        betätigen, ist im unmittelbaren Sichtfeld des Fahrzeugführers eine
        Signallampe zu installieren, die im fahrbereiten Zustand bei nicht
        angelegten Sicherheitsgurten aufleuchtet, um Nachlässigkeiten bei der
        Benutzung (z.B. Vergessen) vorzubeugen. Diese Lampe muß mit
        angemessener Intensität leuchten und den Anforderungen von Anhang III,
        Abbildung 9 der Richtlinie 78/316/EWG des Rates vom 21. Dezember 1977
        zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
        Innenausstattung der Kraftfahrzeuge (Kennzeichnung der
        Betätigungseinrichtungen, Kontrolleuchten und Anzeiger) (ABl. EG Nr. L
        81 S. 3) entsprechen. Durch ein Hinweisschild im Sichtfeld des
        fahrbereiten Fahrzeugführers muß er darauf hingewiesen werden, daß die
        Helmtragepflicht besteht, wenn er die Sicherheitsgurte nicht anlegt.


    1.6 Ist der Schutzbereich des Zweirades mit Scheiben versehen, müssen
        diese den Anforderungen von Kapitel 12, Anhang I, Abschnitt 1.1 oder
        1\.2 der Richtlinie 97/24/EG über Scheiben entsprechen.


    1.7 Im Rahmen der Erteilung der (EG-)Betriebserlaubnis ist die Einhaltung
        dieser Anforderungen durch das Gutachten eines amtlich anerkannten
        Sachverständigen oder eines Technischen Dienstes gegenüber dem
        Kraftfahrt-Bundesamt nachzuweisen.


    1.8 Von den in dieser Anlage beschriebenen Anforderungen an Krafträder,
        die in anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen
        Wirtschaftsraum rechtmäßig hergestellt und dort rechtmäßig in den
        Verkehr gebracht werden dürfen, darf abgewichen werden, wenn sie
        dasselbe Niveau für den Schutz der Gesundheit und der
        Verkehrssicherheit gewährleisten, wie solche Krafträder, die den
        Anforderungen dieser Anlage entsprechen. Soweit diese die Durchführung
        von Prüfungen oder die Vorlage von Prüfbescheinigungen vorsehen,
        werden auch Prüfungen und Prüfbescheinigungen von Prüfstellen, die in
        anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen
        Wirtschaftsraum zugelassen sind, berücksichtigt, wenn diese
        hinsichtlich ihrer zugrundeliegenden technischen Anforderungen
        deutschen Prüfungen und Prüfverfahren gleichwertig sind.


    **2.** **Besondere Prüfanforderungen**


    2.1 Seitlicher Umkipptest


    2.1.1 Anwendungsbereich

        Mit diesem Testverfahren ist zu untersuchen, ob es beim Umkippen des
        Fahrzeuges, besetzt mit einem Fahrer, zum Kopfkontakt des
        Fahrzeugführers mit der Fahrbahn kommt.


    2.1.2 Anforderungen

        Beim seitlichen Umfallen des Prüffahrzeuges muß die
        Kopfgeschwindigkeit der Versuchspuppe Euro-SID Dummy (entsprechend
        Anhang II der Richtlinie 96/27/EG) 20 km/h
        +- 2 km/h betragen.

        Dabei muß einer der beiden anschließend genannten Punkte erfüllt sein.


    2.1.2.1 Abstand des Kopfes zur Fahrbahn

        Der Abstand zwischen Kopf und Fahrbahn darf während des Versuches den
        in 2.1.3.3.1 definierten Wert der Distanzplatte nicht unterschreiten.
        Am Kopf darf keine Farbmarkierung sichtbar sein.


    2.1.2.2 Schutzeinrichtungen für den Kopf

        Beim Einsatz von Schutzeinrichtungen für den Kopf, die den
        unmittelbaren Kontakt zum Boden verhindern, gilt das
        Kopfbelastungskriterium HPC < 1.000.


    2.1.3 Versuchsaufbau


    2.1.3.1 Fahrzeug

        Möglichkeiten:

        a)  Das Prüffahrzeug steht entweder mit beiden Rädern auf einer
            waagerechten, ebenen, nicht verschmutzten Fläche, die für eine
            normale, trockene, nicht verschmutzte Straßenoberfläche repräsentativ
            ist (im weiteren "Boden" genannt) oder gegebenenfalls auf einer
            erhöhten, parallel zu dieser Fläche eingerichteten Plattform.


        b)  Das Fahrzeug wird mit der unter 2.1.4.1 definierten Kontaktebene
            parallel zum Boden aufgehängt.




        Das Vorderrad befindet sich in Geradeausstellung. Die Räder können
        durch die Betätigung des Bremssystems oder einen hierauf bezogenen
        Eingriff während des Versuches blockiert sein.

        Ragt der Lenker aus der in Abschnitt 2.1.4.1 definierten Kontaktebene
        heraus, muß dieser für den Versuch entfernt oder so abgeändert werden,
        daß ein Bodenkontakt vermieden wird.

        Bei verstellbarem Sitz und Kopfstütze sind diese jeweils in ihre
        Mittelstellung zu bringen.


    2.1.3.2 Dummy

        Der Euro-SID Dummy ist mittig zur Fahrzeuglängsachse zu positionieren.
        Die Beine sind in normaler Fahrposition abzustellen.

        Der bzw. die Sicherheitsgurte werden mit der geringsten möglichen
        Gurtlose angelegt.

        Die Oberarme werden unter einem Winkel von
        45 Grad zur Oberkörpersenkrechten eingestellt.


    2.1.3.3 Meßeinrichtungen


    2.1.3.3.1 Bestimmung des Abstandes Kopf - Boden

        Zur Bestimmung des Abstandes zwischen Kopf und Kontaktebene nach 2.1
        wird eine 75 mm dicke Platte (Distanzplatte) mit geeigneten
        Abmessungen so am Boden plaziert, daß vor und während der Berührung
        der Fahrzeugstruktur in der geforderten Kontaktebene keine Berührung
        mit anderen Körperteilen oder Fahrzeugteilen möglich ist.

        Die Distanzplatte wird vor dem Versuch an der Oberseite eingefärbt.
        Beim Berühren des Kopfes mit der Platte muß sich am Kopf eine
        Farbmarkierung abbilden.


    2.1.3.3.2 Bestimmung der Kopfbelastungswerte

        Bei der Prüfung nach 2.1.2.2 werden die Kopfbeschleunigungswerte des
        Euro-SID-Dummys gemessen und ausgewertet (z.B. HPC).


    2.1.3.3.3 Bestimmung der maximalen Kopfgeschwindigkeit

        Die Bestimmung der Kopfgeschwindigkeit erfolgt durch Auswertung einer
        Highspeed-Filmaufzeichnung oder durch die Integration der
        Beschleunigung in y-Richtung.


    2.1.4 Versuchsdurchführung


    2.1.4.1 Verfahren

        Für das Testverfahren wird als Berührungsfläche der Fahrzeugseite mit
        dem Boden eine Kontaktebene definiert. Die sich aufgrund der Dynamik
        des Versuches nach 2.1.3.1 Buchstabe a ergebende Berührungsebene
        zwischen Fahrzeugseite und einer ebenen Fläche, bei der der
        Kopfabstand zu dieser Fläche am geringsten ist, wird als Kontaktebene
        festgelegt.

        a)  Das Fahrzeug kippt aus dem Stand (senkrechte Position) auf die
            vorgesehene Seite, so daß es den Boden in der Kontaktebene berührt.


        b)  Das Fahrzeug fällt, nach 2.1.3.1 Buchstabe b ausgerichtet, aus einer
            durch 2.1.4.2 vorgegebenen Höhe auf den Boden.





    2.1.4.2 Kopfgeschwindigkeit

        Die maximale Kopfgeschwindigkeit in den Testverfahren 2.1.4.1
        Buchstabe a und b soll 20 km/h
        +- 2 km/h betragen.

        Um diese Geschwindigkeit zu erreichen, kann es im Versuch 2.1.4.1
        Buchstabe a bauartbedingt erforderlich sein, daß das Fahrzeug aus
        einer erhöhten Position (siehe 2.1.3.1 Buchstabe a) umkippen muß.

        Bei der Versuchskonstellation 2.1.4.1 Buchstabe b ist die
        erforderliche Fallhöhe entsprechend einer Aufprallgeschwindigkeit von
        20 km/h
        +- 2 km/h zu bestimmen.


    2.1.5 Dokumentation

        Highspeed-Filmaufnahmen vom Aufschlagbereich des Kopfes dienen der
        Dokumentation des Bewegungsablaufes.


    2.2 Dacheindrücktest


    2.2.1 Anwendungsbereich

        Das Verfahren dient der Überprüfung der Steifigkeit von Dachrahmen
        bzw. Dachstrukturen bei Einspurfahrzeugen mit Gurten, die den
        Fahrzeugführer bei Benutzung der Sicherheitsgurte von der
        Schutzhelmtragepflicht entbinden.


    2.2.2 Anforderungen

        Bei der Dacheindrückprüfung von Einspurfahrzeugen mit
        Sicherheitsgurten muß die maximal auftretende Kraft, die während des
        Verformungsweges von 127 mm auftritt, mindestens 22,2 kN betragen.

        Die bei diesem Verformungsweg der Dachstruktur aufgenommene Energie
        muß mindestens 1,4 kJ betragen. (Dieses Niveau entspricht einem
        linearen Kraftanstieg von 0 bis 22,2 kN über einem Verformungsweg von
        127 mm (siehe Abbildung 2). Sehr steife Dachstrukturen, die nach
        geringer Verformung kollabieren, können diese Anforderungen nicht
        erfüllen).


    2.2.3 Versuchsaufbau des Dacheindrücktestes


    2.2.3.1 Fahrzeug

        Der Rahmen des Fahrzeuges mit Dachstruktur wird auf einer ebenen,
        stabilen Grundplatte so fixiert, daß er beim Dacheindrücktest nicht
        verschoben werden kann (siehe Abbildung 1).

        Dabei muß sich der Rahmen des Fahrzeuges relativ zur Grundplatte in
        Normallage befinden und derart abgestützt sein, daß ein rahmenfester
        Punkt in unmittelbarer Nähe des Fahrzeugschwerpunktes und die Neigung
        des Hauptrahmens während der Belastung nahezu unverändert bleiben
        (+- 10 mm,
        +- 3 Grad).

        Alle Abstützungen müssen unter einer zur Grundplatte parallelen Ebene
        durch den H-Punkt (ein Bezugspunkt entsprechend Abschnitt 1.1 des
        Anhangs III zu Kapitel 11 der Richtlinie 97/24/EG) liegen. Bei
        verstellbaren Sitzen gilt der H-Punkt der tiefsten Sitzstellung.

        Oberhalb dieser Ebene dürfen keine zusätzlichen Versteifungen
        angebracht werden, außer Strukturteile, die bei dem entsprechenden
        Fahrzeug als tragende Elemente ausgelegt sind (z.B. Motor,
        Schalensitz, Karosserie).


    2.2.3.2 Druckplatte

        Mit einer ausreichend großen, ebenen Platte (größer als die
        Kontaktfläche der gesamten Dachstruktur nach der Eindrückung) wird
        parallel zur Grundplatte mit konstanter Geschwindigkeit auf die
        Dachstruktur gedrückt (siehe Abbildung 1).


    2.2.4 Versuchsdurchführung

        Die Druckplatte wird mit einer maximalen Geschwindigkeit von 0,013 m/s
        bis zu einer Verformung von 127 mm bewegt. Die maximale Testzeit
        beträgt 120 Sek..


    2.2.5 Dokumentation

        Die Kraft-Weg-Kennung (senkrecht zur Druckplatte) wird zur
        Dokumentation des Kraftverlaufes aufgenommen.

Abbildung 1 Versuchsaufbau Dachdrücktest (Inhalt: nicht darstellbare Abbildung, Fundstelle: BGBl. I 1998, 1133) Abbildung 2 Kraft-Weg-Diagramm Dachdrücktest (Inhalt: nicht darstellbare Abbildung, Fundstelle: BGBl. I 1998, 1133)

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